Verwundert drehte sich der elegante Kopf des Drachen der vermummten, doch eindeutig weiblichen Gestalt zu. "Kenne ich euch?" erklang die wohltönende weiche Stimme durch den
warmen Wind des Abends, der zu einer sternklaren Nacht zu werden versprach.
"Ihr kennt mich nicht, doch kenne ich solche wie euch," kam die Antwort,
deren anklagender Ton der hellen Frauenstimme einen faden Beigeschmack
gab. "Solche wie mich?" fragte der alte Drache mit einem leichten Seufzen
in der Stimme. "Ja, euch Eisdrachen! Ihr bringt nur Unglück, über
die euch zu nahe kommen!" Leicht zitterte die Stimme der anklagenden Gestalt
und sie wandte sich ab. Vorsichtig erhob sich der massige Körper des
im Abendrot schimmernden Eisdrachen. Mit einem Nicken verabschiedete er
sich von den ihm bekannten Wesen auf der Lichtung und bewegte sich langsam
auf die fremde dunkle Person zu. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie
den Atem das mehr als baumhohen Wesens vernahm, dass sich ihr scheinbar
lautlos näherte. "Lasst mich! Geht fort!" forderte sie herrisch, doch
das glänzend geschuppte Wesen hielt lediglich inne und musterte sie
aus eisgrauen Augen, in denen die Weisheit und das Alter sich mit Güte,
Sorge und Neugierde paarten. "Das werde ich gern, aber wenn ich eure Meinung
von mir schon nicht zu ändern in der Lage bin, so möchte ich
doch wenigstens erfahren, was euch zu dieser Meinung brachte." Langsam
drehte sich die junge Frau, denn soviel war ihm schon klar geworden, um
und versuchte unter der Kapuze heraus einen Blick auf den Drachen zu werfen,
ohne ihr Antlitz und damit ihren einzigen Trost, ihre Unbekanntheit, preiszugeben.
Seine Schönheit wird es wohl kaum gewesen sein, aber vielleicht war
es die Ruhe und die Aura nahezu unbegrenzter Geduld, die sie letztlich
zögerndanfangen ließen: "Ich kannte mal einen Drachen wie euch."
Zögernd sah sie sich um und setzte sich dann auf einen Baumstamm,
die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, dann fuhr sie fort: "Weit von hier,
in meiner Heimat traf ich ihn, beeindruckt von seiner Eleganz und Schönheit
suchte ich seine Nähe. Er schien meine Gefühle zu erwidern, und
ich schenkte seinen Worten Glauben, als er mir ewige Liebe versprach. Irgendwann
ging er einfach fort, das wäre doch nicht ernst gemeint gewesen, wie
sollte ein Drache und eine..." an dieser Stelle stockte sie kurz, "Menschenfrau
zusammen sein können." Sie schluckte, versuchte sich nichts anmerken
zu lassen und fuhr mit belegter Stimme leise fort: "Ich versuchte ihn zu
halten, ihn wiederzusehen, aber er wies mich ab, er hatte andere gefunden,
die jetzt im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit standen." Sichtlich sackte
der schlanke Körper in sich zusammen. "Ich floh aus meiner Heimat.
Seither führt mich die Reise durch aller Herren Länder, auf der
Suche nach Vergessen." Langsam leicht schwankend erhob sie sich und blickte
zum Eisdrachen. "Es wird Zeit für mich zu gehen..." Verstehend nickte
der Drache: "Verratet mir noch eines." "Was?" fragte sie, sich schon zum
Gehen gewandt. "Euren Namen." Eigentümlich schien die Frage fast greifbar
in der Luft zu hängen, beleuchtet vom Licht der Sterne die am Firmament
erschienen. Zum ersten Mal hob sie den Kopf und der Mond tauchte den unteren
Teil ihres gesichts in silberne Umrisse. Aus weiter Ferne schien ihre Stimme
zu erkllingen: "Cerenity..." antwortete sie, als wäre ihr der Name
fremd. Dann wandte sie sich ab, und verschmolz eiligen Schrittes mit den
Schatten zwischen den Bäumen.
Taverne Nach einem heißen und anstrengenden Tag im staubigen Hain, suchte
der erschöpfte Drache nach einem Bad im See die einzige Lokalität
auf die groß genug war, dass nicht nur sein Kopf hineinpasste
und obendrein sein Lieblingsbier führte: Die Taverne.
Erst die plötzliche Stille ließ Cerenity aufmerken. Müde
und verwirrt blickte sie sich um und drehte sich zum Drachen. Ein leichter
Schreck durchfuhr sie, als sie den im Feuerschein schimmernden Drachen
erblickte. "Ihr solltet die nassen Kleider ablegen." drang seine dunkle
sanfte Stimme zu ihr vor. Verständnislos sah sie ihn an, dann wurde
ihr gewahr, dass sie noch immer ihren völlig aufgeweichten Reisemantel
trug. Zögernd zog sie ihn aus und hängte ihn über die Lehne
eines Stuhles zum Trocknen. Müde und langsam wandte sie sich dann
wieder an den Drachen: "Was tut ihr hier?" "Ich genieße den Abend.
Warum habt ihr kein Zimmer genommen?" "Zimmer? Ich...brauche kein Zimmer..."
Matt legte sie ihren Kopf auf ihre verschränkten Arme und schloß
die Augen. "Nein, braucht ihr wirklich nicht..." Sanft, fast zärtlich
hob Nemesis den schlanken Frauenkörper von der rauhen Bank. "Was....?"
murmelte die schläfrige Schönheit leise. "Schlaft..." Sorgsam
trug der Drache sie in die Mitte der Tanzfläche und rollte sich dann
um sie herum ein, die liebevoll in seine Schwinge bettend. Vorsichtig zupfte
er die Schnürung ihres Kleides los, und zog den nassen Stoff von ihrem
Körper. Eine weitere Stuhllehne fand sich, das Kleidungsstück
aufzunehmen und erstmalig fiel sein Blick auf ihre vollkommene Schönheit.
Im Schlaf seufzend zog sie die Beine an und schmiegte sich gegen seine
warme Brust. Langsam ließ er die andere Schwinge auf sie sinken,
ihren nackten Körper zu wärmen und schloß dann selbst die
Augen. Lange noch hörte er auf ihren Atem und fragte sich, was dieses
Wesen so besonders machte.
Erwachen Sanft ruhten die eisgrauen Augen des Drachen auf ihren entspannten Zügen. Tastend glitten ihre Finger über die glatten Schuppen am Hals des Drachen, zu dem sie im Laufe der Nacht heraufgerutscht war. Schläfrig öffneten sich ihre Augen und versuchten zu erfassen was sie sahen. Als sich ihr Blick klärte und sie erfasste, was sie sah, entsprang ein erschreckter Laut ihrer Kehle und sie zuckte zusammen. Doch dann blickte sie in die Augen des Eisdrachen, und sah die Güte, Weisheit und unendliche Ruhe, die darin lag. Dannn spürte sie die Kraft, die aus dieser Ruhe kam, und wiederum die Ruhe, die der Drachen durch seine Kraft erlangte. Nemesis spürte was passierte, er hatte das schon früher erlebt, doch nie so wie jetzt. Er blickte in die traurigen dunklen Augen Cerenitys, in deren Grund die Liebe und Freude vergangener Tage lag, und die jetzt von einem trüben Schleier überzogen waren. Er hatte nie wieder eine Bindung eingehen wollen, aber dieses traurige kristallschöne Sternenkind lies ihn alle Erfahrungen vergessen, und so verhinderte er nicht, das die Bindung zwischen ihnen Bestand annahm. Minuten vergingen unbemerkt, als sich der Geist des Drachen mit dem Verstand der Menschenfrau verwoben. So unterschiedlich die Wesen waren, die sich da verbanden, nichts würde diese Bindung lösen können, außer dem Tod. Und dieser hatte sich dem Eisdrachen schon einmal geschlagen geben müssen. Unendlich langsam streckte er die Zunge aus und strich ihr das Haar aus der Stirn, streichelte ihre Wange hinab und über ihre Schulter. "Guten Morgen, Cerenity." durchdrang der glockengleihce Klang der drachenstimme die Stille, die nur vom Nagen der Holzwürmer und dem Gesang der Vögel durchbrochen wurde, die draußen den Tag begrüßten. "Guten Morgen, Drache." klangt ihre helle Stimme leise durch die ersten Sonnenstrahlen, die golden durch die Fenster hereinfielen. "Mein Name ist Nemesis." erwiderte er zärtlich, als sie sich gegen seinen Hals schmiegte und ihr langsam bewußt wurde, dass ihre Kleider über den Stühlen trockneten. Einen Moment lang ließ Scham ihre Wangen erglühen, dann dachte sie bei sich: 'Er ist ein Drache...' und genoß das plötzliche Gefühl der Geborgenheit. "Ich habe die ganze Nacht bei euch....bei dir verbracht?" Leise schnurrend nickte der mächtige Kopf des Drachen, als sich ihre warme weiche Haut an seinen Hals legte: "Wäre dir eine andere Unterkunft lieber gewesen?" Keine Antwort erwartend zog er seine Schwinge etwas zurecht und bedeckt sie bis zum Kinn, nur wenige Augenblicke, bevor der Wirt den Schankraum betrat. "Guten Morgen, Eisdrache!" rief er wie gewöhnlich gut gelaunt und wollte schon ein scherzhaftes, "Na, wieder ein Wesen betört?" hinzufügen, als er der besonderen Athmosphäre gewar wurde die den Raum erfüllte. Erstaunt und bar jeden Verstehens hob er die Brauen und ließ die Hände sinken. Nichtmal einem oberflächlichen groben Zwerg wie ihm entging die Aura, die den Drachen wie ein Fanal umschloß. "Das ich das noch erlebe... unser Eisdrache...gebunden!"Gleißend umfing den den Zwerg der Blick des Drachen, aber nicht ärgerlich sondern voller Freude. "Ich wünsche euch Glück!" raunte der Wirt, bevor er wieder verschwand und sorgsam alle erwachenden Gäste zum Frühstück in eine kleine Nebenkammer geleitete. Irgendwie verließ an diesem Tag jeder Gast die Taverne mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Erst als die Sonne ihren Zenit überschritt sah man auch den Drachen aufsteigen, doch diesmal nicht allein. To be continued... |